Bild des Tages

Das Modell der Suzanne Valadon

Die weiblichen Akte der französischen Künstlerin Suzanne Valadon, die aktuell auch im Centre Pompidou in Metz zu sehen sind, sprechen von künstlerischer Selbstermächtigung und einer Wiederaneignung des weiblichen Körpers

Von Lisa-Marie Berndt
31.05.2023

Sie liebte den Zirkus. Suzanne Valadon, 1865 geboren als Marie Clémentine Valadon, wuchs mit ihrer Mutter im Montmartre des späten 19. Jahrhunderts auf. Als verrucht galt das im Norden der französischen Hauptstadt liegende Viertel damals, war von Armut geprägt und zog zahlreiche Künstlerinnen und Künstler an. Varietés und Nachtlokale prägten das Stadtbild und waren beliebte Orte der Zusammenkunft für die aufkeimende Bohème-Szene. Suzanne Valadon ging nicht zur Schule, sie schlug sich als Serviererin und Gemüseverkäuferin durch. Dann heuerte sie als Artistin bei einem Zirkus an – ihr großer Traum. Doch im Alter von fünfzehn Jahren folgte ein Sturz, der ihre Zirkus-Karriere auf einen Schlag beendete. Trotzdem, der Zirkus war ihr Portal für den Eintritt in die Bohème-Kreise. Hier lernte sie unter anderem Pierre Puvis de Chavannes, Henri de Toulouse-Lautrec und Auguste Renoir kennen, für die sie Modell stand. Sie beobachtete die Künstler bei ihrer Arbeit, merkte sich Gesten, Pinselstriche und Linien – und setzte sich dann, wenn die Sitzungen beendet waren, selbst vor die Leinwand. Sie widmete sich Zeichnungen, Grafiken, Landschaften und Porträts, doch vor allem das Thema des weiblichen Akts findet bei Suzanne Valadon besonderen Anklang.

So auch in dem Ölgemälde „Catherine nue allongée sur une peau de panthère“, entstanden im Jahr 1923. Suzanne Valadon zeigt ihr Modell unbekleidet auf einem Pantherfell liegend, neben ihr ein Strauß roter Blumen in einer Vase. Catherine hält die Augen geschlossen, als würde sie schlafen, und auch ihr Körper entbehrt jeglicher gekünstelten Pose. „In den Zeichnungen und später in den Gemälden von Suzanne Valadon sind der Pinselstrich, die Umrisse der Konturen, die Abgrenzung einer Form allesamt Zeichen“, so der Kunsthistoriker Jean-Pierre Valeix. „Zeichen einer (Wieder-)Aneignung des weiblichen Körpers durch eine Frau, die aus ihrer eigenen Erfahrung als Modell den eindringlichen und besitzergreifenden männlichen Blick kennt.“

Übrigens: Das Centre Pompidou in Metz feiert die Autodidaktin und französische Vertreterin der Moderne noch bis zum 11. September in der Ausstellung „Suzanne Valadon: A World of Her Own“.

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