Ausstellungen

Thomas Struths monumentale Fotografien

Der Gropius-Bau in Berlin zeigt seine Bilder der letzten zehn Jahre: Die Motive des Künstlers führen in erstaunliche, menschengemachte Welten 

Von Lisa Zeitz
25.07.2016

Die meisten Landschaften und Interieurs sind menschenleer – und doch sind es immer wieder die Menschen, ihr Schaffen und gesellschaftliches Streben, die den Betrachter im Martin-Gropius-Bau vor den Bildern von Thomas Struth nachdenklich werden lassen. Zum Beispiel seine Aufnahmen aus Disneyland: künstliche Landschaften, die zur Unterhaltung von Massen nachgebildet wurden, Berge, Seen, Höhlen und Wüsten, die die Natur abbilden, aber keine Natur sind.  

Bei „Ride, Anaheim“ haben wir die Gelegenheit, uns in die vielen messerscharfen Details der ausgefeilt konstruierten Seeräuberromantik zu vertiefen. Besucher des Vergnügungsparks erleben sie sonst nur im Vorbeisausen der Geisterbahn, die elektrisch beleuchteten Lavabrocken am Boden, die Flechten an der Hängebrücke. Oft fragt man sich, wie der Künstler überhaupt an die seltsamen Orte gelangen konnte.

 

Rund 40 Werke, die größten von ihnen fast vier Meter breit, zeigen sein Œuvre von 2005 bis heute. Thomas Struth, Jahrgang 1954, ist für seine Straßenbilder, Familienporträts und Museumsaufnahmen berühmt. In einigen neueren Arbeiten zieht es ihn zur Hochtechnologie, an Orte der Spitzenforschung. Seine Motive hat er im Kennedy Space Center in Cape Canaveral gefunden, in einem Magnetkäfig am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, in einem Labor, in dem Roboter laufen lernen, oder in der Restaurierungswerkstatt des Louvre. Ja, sogar eine Gehirnoperation an der Charité in Berlin hat er fotografiert.

 

Bei all den Laboren und ihren oft undurchdringlichen Kabelstrukturen entsteht der Eindruck, dass ein einzelner Mensch unmöglich noch erfassen kann, wie all diese Prozesse ablaufen. „Wissenschaft ist, was wir wissen“, hat der britische Mathematiker Bertrand Russell gesagt, „und Philosophie, was wir nicht wissen.“ Das Staunen über die Oberflächen der Hochtechnologie, die Thomas Struth hier in seinen ästhetischen Kompositionen zeigt, gilt auch dem unermüdlichen Streben des Menschen, das Leben zu verbessern, zu verlängern und zu optimieren. Die Ausstellung, die zuerst im Museum Folkwang in Essen zu sehen war, wandert nach der Station in Berlin noch nach Atlanta und St. Louis.

 

Fotos

Thomas Struth

Ausstellung

„Thomas Struth – Nature and Politics“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 18. September. Der Katalog ist bei MACK erschienen und kostet 28 Euro

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr.118/2016

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