Ausstellungen im Herbst

Unsere Ausstellungstipps für November

Im November entdecken wir japanische Farbholzschnitte in Zürich, lassen uns von den Tagträumen Peter Doigs in London verzaubern und freuen uns auf Meissner Porzellankunst in Dresden

Von Tim Ackermann & Nick van der Velden
31.10.2025
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 248

Gothic Modern

Albertina, Wien, bis 11. Januar 2026

Waren wir nicht alle in unserer Jugend ein bisschen Goth? Die gotische Ästhetik des Spätmittelalters hat in späteren Zeiten immer wieder ihre Fans gefunden. In Wien zeigt jetzt die Albertina, wie diese hochgeistige, ornamentverliebte, verrätselte, märchenhafte und teilweise morbide Bildsprache die Kunst zwischen 1875 und 1925 inspirierte. Malerinnen und Maler der Moderne wie Otto Dix, Gustav Klimt, Käthe Kollwitz, Edvard Munch oder Marianne Stokes („Melisande“, ca. 1895) hängen im Stilvergleich neben ihren gar nicht so heimlichen Helden Lucas Cranach, Hans Holbein oder Albrecht Dürer.

Marianne Stoke, „Melisande“, ca. 1895
Marianne Stoke, „Melisande“, ca. 1895. © Wolfgang F. Meier/Rheinisches Bildarchiv Köln/RBAd000064

Peter Doig

Serpentine Galleries, London, bis 8. Februar 2026

An fieberhafte Tagträume fühlt man sich in den karibischen Szenen des Malers Peter Doig erinnert: Was in den Bildern wahr ist und was erfunden, das lässt sich gar nicht so leicht feststellen. Wer überprüft schon, ob die Wand einer Bar auf Trinidad, die er in seinem zwischen 2010 und 2012 entstandenen Werk „Painting for Wall Painters (Prosperity P.o.S.)“ festgehalten hat, wirklich mit Flaggen übersäht ist. Vorstellbar ist es auf jeden Fall. Doig zeigt in London nun Bilder, die während zweier Schaffensdekaden auf der Karibikinsel entstanden sind. Als Besonderheit hat er für seine Schau „House Music“ einen Soundtrack aus Lieblingssongs zusammengestellt, der in den Räumen abgespielt wird. Jetzt weiß man also auch, wie seine Tagträume klingen.

Flaggen auf der Wand einer Bar auf Trinidad.
Flaggen auf der Wand einer Bar auf Trinidad. © Peter Doig, All Rights Reserved/Courtesy the artist and Serpentine/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Meissen in der DDR

Japanisches Palais, Dresden, bis 22. Februar 2026

Dass in der sozialistischen Planwirtschaft die Lieblingsmanufaktur der einstigen sächsischen Herzöge weiter produzieren konnte, scheint etwas erstaunlich. Doch Meissner Porzellankunst wurde auch von der Herrscherriege der DDR aus vielerlei Gründen geschätzt. Nicht wenige Objekte gingen gegen Devisen in den Westen – wohingegen der 1967 von Heinz Werner gestaltete Teller „Sturm auf das Winterpalais“ zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution wohl östlich des Eisernen Vorhangs Verbreitung fand. Weniger staatstragende Stücke standen auf den Kaffeetischen – und ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger erzählen in der Schau von ihren Porzellanpreziosen.

„Sturm auf das Winterpalais“.
„Sturm auf das Winterpalais“. © Esther Hoyer, Alexander Schmidt/punctum/Porzellansammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Christian Marclay

Neue Nationalgalerie, Berlin, 29. November bis 18. Januar 2026

Tick, tick, tick: Das langsame Vorrücken von Zeigern auf einem Zifferblatt ist ein Leitmotiv in Christian Marclays Videokunstwerk „The Clock“ (2010). Es war schon eine ziemlich geniale Idee des amerikanischen Künstlers, unzählige Schnipsel aus bekannten Kinofilmen so hintereinanderzuschneiden, dass die in den Sequenzen auftauchenden Uhren exakt das Voranschreiten der Zeit in der realen Welt abbilden. Das äußerst unterhaltsame 24-Stunden-Werk wird in der Neuen Nationalgalerie perfekt synchronisiert auf die Berliner Ortszeit gezeigt – und das dortige Publikum gewiss zum Marathonschauen verführen.

Das langsame Vorrücken von Zeigern auf einem Zifferblatt ist ein Leitmotiv in Christian Marclays Videokunstwerk „The Clock“.
Das langsame Vorrücken von Zeigern auf einem Zifferblatt ist ein Leitmotiv in Christian Marclays Videokunstwerk „The Clock“. © Christian Marclay/Courtesy White Cube, London

Surimono

Museum Rietberg, Zürich, bis 12. Juli 2026

In der für jegliche Raffinesse aufgeschlossenen Edo-Zeit zirkulierten kunstvoll gestaltete Grußkarten durch die Hände der japanischen High Society: Als „Surimono“ – auf Deutsch: „gedruckte Dinge“ – wurden die Farbholzschnitte bescheiden bezeichnet, und doch steckte in den Gaben höchste Wertschätzung. Kenner erfreuten sich an literarischen und kulturellen Anspielungen. Manche Szenen verwiesen auch einfach auf die Kostbarkeit der Kunstwerke an sich, so wie Sonsai Kōitsus „Papier schöpfen“ (1823). Über 100 Drucke bietet nun die Schau in Zürich. Aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit wechseln sie zur Halbzeit der Schau.

„Papier schöpfen“ (1823) von Sonsai Kōitsu.
„Papier schöpfen“ (1823) von Sonsai Kōitsu. © Museum Rietberg

Sonntag und Münter

Kunstmuseum Ravensburg, bis 22. März 2026

Zwei Jahre durch die USA reisen: Wer würde da nicht eine Menge Fotos mit nach Hause bringen? Genauso erging es Gabriele Münter, die 1899/1900 mit ihrer älteren Schwester Emmy den großen Überseetrip wagte. In Ravensburg werden die Fotografien der späteren Expressionistin nicht auratisch verklärt, sondern in der digitalen Bildprojektion „The Travelling Eye“ (2024) der Künstlerin Kathrin Sonntag spielerisch in ihrer Wirkung verstärkt. Eine Parallelschau zeigt Münters bekannte farbstarke Malereien.

„The Travelling Eye“ (2024) der Künstlerin Kathrin Sonntag.
„The Travelling Eye“ (2024) der Künstlerin Kathrin Sonntag. © Kathrin Sonntag, mit freundlicher Genehmigung der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Zur Startseite