Reisetipps für den Sommer

Oh, du Oberbayern!

Seit Jahrhunderten ist das malerische Münchner Umland für die Künstlerinnen und Künstler der Stadt Zuflucht, Atelier und Inspiration. Wir folgen ihren Spuren

Von Gloria Ehret
24.05.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 107

München ist zwar nicht auf sieben Hügeln erbaut wie Rom oder Bamberg. Auch die Lage an der Isar ist eher unspektakulär. Die Stadt – erst herzogliche, dann kurfürstliche und königliche Residenz, heute freistaatliche Kapitale – bezieht ihre größten Reize tradi­tionell aus der Kunst. Dafür hat München ein traumhaft schönes Umland, dessen Flüs­se und Seen, sanfte Hügel und schneebedeck­te Berge den Münchner Künstlern seit Jahrhunderten als Inspirationsquelle, Frei­landatelier und Andachtsort dient. Viele Kunstschaffende waren gleichermaßen in der Metropole und auf dem Land tätig. Jo­hann Georg von Dillis (1759–1841) etwa, der nicht nur Kunstagent im Auftrag des Hofes, Inspektor der Hofgartengalerie und erster Direktor der unter Ludwig I. errichteten Al­ten Pinakothek war, sondern auch eine Pro­fessur für das Landschaftsfach an der Akade­mie innehatte und zu den prägenden Neuerern der Freiluftmalerei in Deutschland gehört. Am liebsten und schönsten malte er die oberbayerische Landschaft.

Auf seinen und den Spuren vieler anderer Künstler lässt sich die Umgebung Münchens in der Entfernung von nur einer Autostunde herrlich erkunden. Unsere Auswahl bietet eine persönlich geprägte Zeitreise vom Mit­telalter bis in die Moderne, immer mit direk­tem Bezug zur Münchner Kunst, wobei das bayerische Rokoko und der Aufbruch in die Moderne die Schwerpunkte bilden.

München verdankt seine Gründung Freising; denn Herzog Heinrich der Löwe ließ die dortige Isarbrücke, die dem Bischof von Freising gehörte, zerstören und 1158 fluss­ aufwärts nahe „bei den Mönchen“ eine neue errichten. Daher ist die alte Bischofsstadt Freising, genauer der Domberg, auch unser erstes Ziel. Um 720/30 wirkte hier der heilige Korbinian und der heilige Bonifatius grün­dete 739 das Bistum. Bis ins 14. Jahrhundert war der Domberg der geistige Mittelpunkt Oberbayerns. Die Kathedrale, in deren vor 1205 vollendeter Krypta mit der voll skulp­tierten Bestiensäule sich der Charakter des romanischen Baus bewahrt hat, wurde um 1481/82 von Jörg von Halsbach, dem Erbauer der Münchner Frauenkirche, eingewölbt. Wie so viele bayerische Kirchenbauten wurde die fünfschiffige Basilika im 18. Jahr­ hundert von den Brüdern Asam samt Stuck und Malerei barockisiert. Der Raumein­druck ist überwältigend. Allerdings ist das Hochaltarbild mit dem „Apokalyptischen Weib“ eine Kopie, denn Rubens’ monumen­tales Gemälde von 1625 zog 1804 in die Alte Pinakothek in München, dort ist es ein Hauptwerk der Sammlung. Ob Peter Candid oder Hans Krumpper, die für den Münchner Hoftätigen Künstler des Frühbarocks sind auch im Freisinger Dom mit Werken vertre­ten. Ebenso auf dem Domberg beheimatet ist das Diözesanmuseum mit seinen reichen Schätzen. Doch leider ist es derzeit wegen Sa­nierung und Umbau geschlossen.

Dom Freising Oberbayern
Der Dom St. Maria und St. Korbinian in Frei- sing wurde wie so viele romanische Kirchen in und um München von den Asam-Brüdern im 18. Jahrhundert barockisiert. © Wikimedia Commons

Der sogenannte Pfaffenwinkel, der sich südwestlich von München im aufsteigenden Alpenvorland zwischen Lech und Loisach erstreckt, ist die Kernlandschaft des baye­rischen Rokoko. Von hier zogen die Wesso­brunner Stukkateure weit über die Landes­ grenzen des Kurfürstentums hinaus. Hier verlief die alte Römerstraße Via Claudia Au­gusta von Augsburg bis über den Brenner; und hier steht auch die einzige gut erhaltene romanische Basilika Oberbayerns: Aus Tuffsteinquadern erbaut, erhebt sich St. Michael als dreischiffiger Gewölbebau auf einem kleinen Friedhofshügel in Altenstadt (Alt- Schongau) und beherbergt den „Großen Gott von Altenstadt“. Ernst blickt das über drei Meter große Vier-Nagel-Kruzifix vom Lettner herab. Nur ein einziges ähnlich beeindruckendes Großkruzifix der Zeit um 1200 gibt es in Münchner Kirchen – abseits vom Touristenstrom in der Heilig-Kreuz-Kirche im Stadtteil Forstenried. In Altenstadt ist außerdem ein Taufstein aus der Erbauungszeit in Kelchform zu bestaunen, dessen Außenseiten mit umlaufenden szenischen Reliefs geschmückt sind. Zudem wurden einige sehr schöne Fresken mit der Verkündigung oder dem heiligen Michael freigelegt.

St Michael Oberbayern
Die Basilika St. Michael entstand zwischen 1180 und 1220 als Pfarrkirche der später Altenstadt genannten Ursiedlung von Schongau in Oberbayern. © Wikimedia Commons

Eine ganz andere Welt als die romanische Strenge und Entrücktheit Altenstadts entfaltet die beschwingte Baukunst des 18. Jahrhunderts. Etwa Dießen unweit von Altenstadt am Ammersee. Schon von außen vermittelt die Marienkirche des ehemaligen Augustinerchorherrenstifts mit ihrer gekurvten Fassade den Zauber des Rokoko.

Wie an vielen sakralen Orten Bayerns empfindet man den langen Atem der Tradition, denn die Geschichte des Klosters mit mittelalterlichen Vorgängerbauten wie einer 1182 geweihten Kirche reicht weit zurück. Ein 1722 begonnener Neubau kam erst voran, als zehn Jahre später Johann Michael Fischer hinzugezogen wurde. Die Weihe erfolgte 1739. Fischer verdanken wir St. Anna im Münchner Stadtteil Lehel, die erste Rokokokirche Altbayerns, und St. Michael in Berg am Laim, ein weiteres Juwel dieser Epoche.

Marienmünster Dießen Oberbayern
Zauberhaftes Rokoko im Marienmünster in Dießen am Ammersee, an dessen Aus­stattung zahlreiche namhafte Künstler beteiligt waren. © Wikimedia Commons

In Dießen überrascht das wohlproportionierte weite Langhaus mit breiten Seitenkapellen und den raumbeherrschenden Altären. Feierlich und heiter zugleich erstrahlt die Kirche. Die Verbindung zur Münchner Kunstszene des 18. Jahrhunderts ist überall nachvollziehbar. Der Entwurf zum bühnenartig mit drei Kulissen gestaffelte Hochaltar geht auf den Hofarchitekten und -bildhauer François Cuvilliés zurück. Kanzel und Orgelprospekt stammen von Johann Baptist Straub, und der große Venezianer Giovanni Battista Tiepolo hat das Altarblatt einer Seitenkapelle mit dem heiligen Sebastian gemalt. In der Taufkapelle schwebt ein berückend schöner Engel von Ignaz Günther über dem Becken. Eine vielfigurige Krippe füllt eine ganze Wand. Gegenüber, auf der Südseite neben der Vorhalle, sind lebensgroße Prozessionsfiguren in kostbaren textilen Gewändern zu bewundern sowie ein mitleiderregender Geißelsäulen-Christus über den armen Seelen im Fegefeuer: Die Kirche vereint all das, was die bayerisch-katholische Frömmigkeit bis heute ausmacht.

Eine stolze Reihe solcher mächtigen Klosteranlagen und viele kleinere Wallfahrtskirchen lohnen den Besuch im oberbayerischen Hügelland. Etwa amperabwärts in Grafrath, wo man die direkt am Fluss gelegene Pilgerkirche St. Rasso nicht versäumen sollte. Ende des 17. Jahrhunderts nach Plänen des Vorarlbergers Michael Thumb erbaut, stammt die Ausstattung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Johann Baptist Straub schuf den raumgreifenden säulenbesetzten Hochaltar, das lichte Deckenfresko hat der Augsburger Akademiedirektor Georg Bergmüller mit dem Vollendungsjahr 1752 versehen.

Wir bleiben im Ampertal, wo die Anlage des Zisterzienserklosters Fürstenfeld majestätisch und beherrschend vor dem Städtchen Fürstenfeldbruck liegt. 1263 gegründet, strahlt schon die mächtige dreistöckige säulengegliederte Fassade nach früheren Plänen Giovanni Antonio Viscardis barocke Würde aus. Das Kircheninnere offenbart sich wie Dießen als Wandpfeilerkirche, aber höher, länger und erhabener. Den Farbklang beherrschen die verschiedenen Rottöne der Stuckmarmorsäulen vor den Wandpfeilern. Auch hier waren die Brüder Asam bei der Ausstattung prägend am Werk. Der prächtige Hochaltar mit seinen dominierenden gedrehten Säulen bezieht die Apsisfenster als Hintergrundfolie ein, sodass die weiß strahlenden Heiligenfiguren vor hellem Tageslicht stehen.

Schloss Schleißheim Oberbayern
Das Neue Schloss Schleißheim wurde im Auftrag Kurfürst Max Emanuels 1701-1704 nach Entwürfen von Henrico Zuccalli begonnen und ab 1719 unter Joseph Effner vollendet. © Wikimedia Commons/Diego Delso

In der Anlage mit den seitlichen Kanälen erinnert Kloster Fürstenfeld ein bisschen an Schleißheim, unsere nächste Station auf der kunsthistorischen Rundreise. Hier ließ Kurfürst Max Emanuel gegenüber vom Alten Schloss aus dem frühen 17. Jahrhundert ab 1701 einen imperialen Neubau errichten. Der siegreiche Feldherr gegen die Türken, dessen Blick nach Stationen in Wien, Brüssel und Paris von den europäischen Residenzen geweitet war, wollte damit seinem Anspruch auf die Kaiserwürde bauliche Gestalt verleihen. Vergeblich, wie die Geschichte zeigen sollte. Nach der Niederlage von Höchstädt musste er Bayern verlassen. Wir versäumen indes nicht, am Mittelkanal hinunter zum Schlösschen Lustheim zu flanieren, denn hier ist die berühmte Meißener Porzellansammlung Schneider beheimatet. Sie vermittelt einen Eindruck, wie die höfische Gesellschaft damals ihren Tafelfreuden frönte.

Nur rund zwanzig Kilometer nördlich von München liegt Dachau, dessen Name wegen des ehemaligen Konzentrationslagers schreckliche Assoziationen hervorruft. Darüber wird oft übersehen, dass das hoch über dem flachen Umland gelegene Städtchen einen zauberhaften historischen Kern besitzt. Und mit der Dachauer Künstlerkolonie, deren Blüte in die Jahre zwischen 1880 und 1920 fällt, als ein bayerisches Pendant der Barbizon-Schule in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Dachau zählt zu den frühen Zentren der deutschen Freilichtmalerei, die hier entstandenen Bilder sind vor allem in der Münchner Neuen Pinakothek und im Schweinfurter Museum Georg Schäfer vertreten. Am Entstehungsort selbst präsentiert die Gemäldegalerie Dachau gegenüber vom Rathaus eindrucksvolle Bestände von den Anfängen bis zur Neuen Sachlichkeit.

Ob Worpswede oder Dachau, die Maler zog es in die freie Natur – nicht in liebliche Parklandschaften wie im 18. Jahrhundert, sondern in unverfälschte, bäuerliche Regionen oder einsame Moore. Statt Landschaftskompositionen hatten es ihnen Naturausschnitte, Lichtstimmungen, das Atmosphärische angetan. Später kamen auch dörfliche Anwesen und ihre Bewohner samt Vieh ins Bild. Ein Grund dafür: Hier lebte es sich billiger als in der Hauptstadt München. Ausschlaggebend für die sich europaweit ausbreitende Freilichtmalerei war die Erfindung der Tubenfarben. Bis dahin konnten die Künstler im Freien nur Skizzen und Studien anfertigen, die Gemälde entstanden im Atelier.

Dachau Oberbayern
Die „Malweiber“ der Dachauer Künstlerkolonie. © Stadt Dachau

Der Rundgang durch die Dachauer Gemäldegalerie beginnt mit Ansichten des Dachauer Moores von Johann Georg von Dillis. Denn auch den Münchner Galeriedirektor und Akademieprofessor zog es ins Freie. Es folgen stimmungsvolle Bilder von Eduard Schleich d. Ä., Christian Morgenstern, Adolf Lier oder Carl Spitzweg sowie von einer Schar Jüngerer. Zwischen 1893 und 1905 suchten Ludwig Dill, Adolf Hölzel und Arthur Langhammer, die Protagonisten der Künstlerkolonie Neu-Dachau, gemeinsam neue künstlerische Wege. Hölzel, der sich später wie Baumeister und Schlemmer in Stuttgart der Abstraktion zuwandte, ist mit vielen Bilder in seiner Entwicklung zu verfolgen.

Wir begegnen Leo Putz, Heinrich von Zügel, Paula Wimmer, Paul Baum oder Max Feldbauer, dem im Jahr 2016 eine Ausstellung unter dem Motto „Akt und Roß genügen mir“ gewidmet wurde.  Ab September 2022 befasst sich die Dachauer Gemäldegalerie mit der zauberhaften Insel Capri, die schon in der Antike ein beliebter Rückzugsort für Künstlerinnen und Künstler war.

Der 1938 gestorbene Maler und Grafiker Hermann Stockmann war 1905 an der Gründung des Heimatmuseums Dachau beteiligt. Heute heißt es Bezirksmuseum und ist nicht weit von der Gemäldegalerie entfernt. Dort finden wir die volkskundlichen Objekte, die uns auf den Bildern begegnen. Wenige Schritte sind es bis zum Schloss, das Max Emanuel zwar prächtig erweitern ließ, von dem jedoch nur noch der Flügel mit dem großen Festsaal erhalten ist. In den 1970er-Jahren kehrte dessen Renaissancedecke aus prächtig ornamentierten Holzkassetten zurück. Sie war 1868 im Bayerischen Nationalmuseum eingebaut worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entfernte man sie von dort, und sie geriet in Vergessenheit, bis zufällig der Dachauer Oberbürgermeister davon hörte. Wenigstens einen kurzen Spaziergang muss man durch den Hofgarten und seinen bezaubernden Laubengang machen, vorbei an Rosenbeeten und Wildblumenrabatten sowie alten Apfelbäumen verschiedener historischer Sorten. Sie sollten einst gewährleisten, dass die Wittelsbacher, wann auch immer sie Lust auf frische Äpfel verspürten, aus der eigenen Zucht bedient werden konnten.

Münter-Haus Murnau Oberbayern
Das Münter-Haus in Murnau im Jahr 2009. © Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung

Erdige Brauntöne charakterisieren die Dachauer Moorlandschaft. Sie ist ganz anders als das liebliche „Blaue Land“ um Murnau, jene Voralpenregion, in der sich um die vorletzte Jahrhundertwende Franz Marc, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und deren Malerfreunde aufhielten. Noch heute kann man das Münter-Haus besuchen, wo Kandinsky und Münter wenige, aber entscheidende Jahre lebten und malten. Im Murnauer Schlossmuseum, das auf einem Hügel über dem quirligen historischen Stadtkern thront, stehen ihre Werke im Mittelpunkt. Und der Blick aus einem Fenster spiegelt die Ansicht eines berühmten Gemäldes.

Am Ortsrand von Kochel ist Franz Marc ein eigenes Museum gewidmet. Wenn man an einem Werktag außerhalb der Ferienzeit das Glück hat, kaum Touristen zu begegnen, kann man dort die meditativ-mystische Stimmung seiner Bilder auf sich wirken lassen. Diese Gegend war vor dem Ersten Weltkrieg Ausgangspunkt und Inspirationsquelle der süddeutschen Avantgarde. Hier ist Marcs tief verwurzelte Naturverbundenheit am intensivsten zu erleben. Er wurde zur Identifikationsfigur der Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“, zu der er sich im Jahr 1911 mit Kandinsky, Münter und Jawlensky zusammenfand. Siebzig Jahre nach Marcs frühem Tod auf einem Schlachtfeld bei Verdun wurde das Museum eröffnet. 2008 erweiterte das Zürcher Architekturbüro Diethelm & Spillmann es um einen ebenso attraktiven wie zweckdienlichen zweistöckigen Trakt, dessen Panoramafenster einen atemberaubenden Blick in die Bilderbuchlandschaft bietet. Neben Vertretern des „Blauen Reiters“ und der „Brücke“-Expressionisten zeigt das Museum Bilder von Paul Klee sowie abstrakte Kunst aus der deutschen Nachkriegszeit. Es besitzt rund 2000 Werke, davon etwa 80 Prozent Arbeiten auf Papier. Ganze Werkkomplexe berühmter und noch zu entdeckender Künstler bilden den Ausgangspunkt für attraktive und außergewöhnlich interessante Sonderausstellungen. 

Wassily Kandinsky Oberbayern
Wassily Kandinsky malte die „Häuser vor blauem Berg“ im Jahr 1908. Das Olaf Gulbransson Museum Tegernsee zeigt das Ölgemälde ab dem 23. Juli in seiner Sonderausstellung „Renoir bis Jawlensky". © Privatsammlung

Nicht weniger spektakulär liegt das Buchheim Museum: am Westufer des Starnberger Sees, inmitten des weitläufigen Parks Höhenried mit seinem herrlichen alten Baumbestand. Die elegante Architektur schmiegt sich so glücklich in die Hügellandschaft, dass man dem großen, 2010 gestorbenen Architekten Günter Behnisch verzeiht, diesen Ort überhaupt bebaut zu haben. Es ist eine Symbiose aus Holz und Glas mit Anklängen an den Schiffsbau und einem zwölf Meter langen Steg über den See. Lothar Günther Buchheims Expressionistensammlung mit Gemälden aus den besten Jahren der „Brücke“-Künstler ist das Herzstück des im Jahr 2001 eröffneten Hauses. Hinzu kommen Meisterwerke von Alexej Jawlensky, Otto Mueller oder Emil Nolde, von Lovis Corinth oder Max Beckmann, aber auch des weniger bekannten Max Kaus. Zahlreiche Bilder erstrahlen einzeln an Stellwänden und bieten einen ungeteilten Kunstgenuss. Auch hier locken Sonderausstellungen immer wieder ins Haus. Zudem verfügt das sogenannte Muse- um der Phantasie über verschiedenste Abteilungen, die Vergnügen bereiten mögen, mit Kunst jedoch weniger zu tun haben.

Zum Schluss unserer Zeitreise geht es nach Tegernsee, wo der gebürtige Norweger und international gefeierte Künstler Olaf Gulbransson von 1929 bis zu seinem Tod 1958 mit seiner dritten Frau lebte. Kaum zu glauben, dass das wohlbeleibte Urgestein, das dem Schweinsbraten halbmeterweise zusprach, ein Meister so zarter Gemälde, klarliniger Zeichnungen und pointierter Karikaturen war. Ihnen wird der zeitlos-moderne Museumsbau gerecht, den der Architekt Sep Ruf 1966 gebaut hat. Das Grundstück stellte kein Geringerer als Herzog Ludwig Wilhelm von Bayern zur Verfügung.

Das Olaf Gulbransson Museum am Tegernsee. © Olaf Gulbransson Gesellschaft e.V. Tegernsee

Der Besuch des Museums stimmt heiter. Ein Saal ist Gulbranssons hellen Gemälden vorbehalten, der durch seinen Berliner Malerfreund Max Liebermann zur Ölmalerei fand. Seine geistreichen Titelblätter der Satire-Zeitschrift „Simplicissimus“ nehmen breiten Raum ein. Ebenso die Originalausgaben mit seinen Buchillustrationen, deren vielleicht bekannteste Ludwig Thomas „Lausbubengeschichten“ bebildert. Seit 2007 besitzt das Haus einen beachtlichen Bestand an Lithografien von Honoré Daumier, sodass auch in diesem Museum regelmäßig Sonderschauen arrangiert werden können.

Ein letztes, kleines Elysium des Münchner Kunstumlandes sei noch gerühmt. Von allen genannten Zielen im südlichen Oberbayern lässt sie sich auf dem Rückweg in die Stadt bequem ansteuern: die verwunschene Roseninsel in der Feldafinger Bucht. Sie ist die einzige Insel im Starnberger See und nur mit einem Fährboot zu erreichen. Es gibt dort keinen Autoverkehr und keine Hunde, weder Gaststätte noch Übernachtungsmöglichkeit. Cineasten ist die Roseninsel wohlbekannt. Luchino Visconti drehte hier 1972 für seinen Film „Ludwig II.“ ein Treffen von Sissi alias Romy Schneider mit dem schönen Helmut Berger als Märchenkönig.

Der Park und der Rosengarten werden vom einzigen Bewohner der Insel, dem Gärtner, gepflegt. Das Idyll wurde 1850 von Maximilian II. erworben und gehört seit 1970 dem Freistaat. Der König ließ die Insel von Peter Joseph Lenné, dem damals bedeutendsten deutschen Gartenarchitekten, und dem Ingenieur Franz Jakob Kreuter umgestalten. Sie errichteten das „Casino“, ein pompejanisch inspiriertes Sommerschlösschen mit Rosengarten, in dem man sich an Hunderten von hochstämmigen Duftrosen berauschen kann, bevor man in die hektische Alltagswelt zurückkehrt.

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