Tefaf in Maastricht

Käufliche Könige

Von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart vereint die Tefaf in Maastricht verlässlich die hochwertigsten Kunstwerke, die der Markt derzeit zu bieten hat. Wir werfen einen ersten Blick auf das diesjährige Angebot

Von Sabine Spindler
12.03.2025

Schönheit ist ein zeitloses Band, das Kunst aller Epochen und Weltreligionen mit dem Begehren der heutigen Connaisseurs verbindet. Die Tefaf, The European Fine Art Fair in Maastricht, die dieses Mal 266 Spitzenhändler aus fünf Kontinenten vereint, beherrscht diesen Flirt zwischen Vergangenheit und Gegenwart wie keine andere Messe. Der sogenannte Gillet Nobleman aus dem Ägypten der 12. Dynastie am Stand des Londoner Antikenhändlers Rupert Wace ist nur ein Beispiel dafür. Der athletische Körper des Aristokraten, die fein geschnitzte Haarpracht und die intensiven, großen Augen mit dem sehnsuchtsvollen Blick in ein fernes Nirgendwo überspringen die Jahrtausende und besitzen eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Wace selbst sieht noch mehr in dieser nur 30 Zentimeter hohen Antike, die einem Grab in der Nähe der Stadt Asyut beigegeben wurde und 400.000 Euro kosten soll: „Sie ist eine der frühesten Darstellung einer Apotheose innerhalb altägyptischer Skulpturen.“ Auch der niederländische Asiatikahandel Vanderven weiß um die Magie jahrtausendealter Kunstwerke. Aus dem nördlichen China des 6. Jahrhunderts stammt die außergewöhnlich anmutige, über einen Meter hohe Kalksteinfigur eines stehenden Buddhas Bodhisattva. Mit ihrem sanften Ausdruck und den halb geschlossenen Augen besitzt die zart lächelnde Figur, was man Aura nennt. Die preisliche Erwartung liegt bei 1,5 Millionen Euro.

Solche Kunst- und Antiquitätenhändler, die nicht nur zu den besten ihres Fachs zählen, sondern bis in die Tiefen der Materie vordringen, machen die Tefaf unverwechselbar. Ein Geschäft wie das der Familiendynastie Kugel aus Paris gibt es weltweit kein zweites. Das Angebot an Kunsthandwerk von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert ist unvergleichlich. Zu den Highlights gehört eine Pietra-dura-Platte von Ferdinando Megliorini, der das Florenz der Medici verließ, um in der Steinwerkstatt der royalen Gobelin-Manufaktur Ludwig XIV. Karriere zu machen. Sein schnürender Fuchs von 1680 ist eine perfekte Augentäuschung aus Jaspis, Achat und Chalzedon. Was hier entstand, war ausschließlich den Residenzen des Sonnenkönigs vorbehalten. Der Entwurf in der Französischen Nationalbibliothek und die Krone des Königs darauf lassen keinen Zweifel an der ursprünglichen Herkunft dieser Arbeit.

Pure Erleuchtung symbolisiert der Bodhisattva in Gestalt einer antiken Statue aus dem nördlichen China am Stand von Vanderven. © Leon van den Broek/Vanderven Oriental Art

Paris war in vielen Bereichen das Zentrum des Luxus. Das verdeutlichen die Möbel am Stand des Kunsthandels Steinitz. Kraftvoll, stilsicher und mit kühnem Schwung hat Nicolas-Quinibert Foliot Mitte des 18. Jahrhunderts die Akanthusblätter auf diesem Lit de Repos geschnitzt. Schon Ludwig XV. schätzte seine Qualitäten und orderte bei ihm Canapés und Sessel für Versailles.

Möbelgeschichte ist Kunstgeschichte. Das wird besonders deutlich, wenn man nach Steinitz die Wiener Galerie Bel Etage ansteuert. Sie offeriert ein seltenes Paar Leiterstühle von Charles Rennie Mackintosh zum Preis von 280.000 Euro. 1903 für das Cranston Tea House in Glasgow entworfen, wurde das Modell in seiner extravaganten Einfachheit einer bis zum Boden reichenden Sprossen-Rückenlehne zur Ikone der Reformbewegung.

Die Tefaf bleibt wie in jedem Jahr eine Expedition durch 7000 Jahre Kunst- und Menschheitsgeschichte. Am Stand von Günther Rare Books verbringen manche Sammlerinnen und Sammler angeblich ganze Tage und betrachten die Handschriften und Miniaturen wie Graphic Novels einer anderen Zeit. Einhörner, Riesen und Tiefseemenschen bevölkern die Erzählungen und fantastischen Illustrationen zum legendären Alexanderroman, von dem lediglich vier Exemplare in der Version von 1290 bis 1300 bekannt sind. Mit diesem Juwel, dazu dem Gebetsbuch der französischen Königin Claude mit seinen fein ausgeführten Miniaturen von 1508 sowie dem wenig später entstandenen Stundenbuch eines Brügger Buchmalers bietet der bibliophile Basler drei Meisterwerke früher Buchkunst zwischen 3 und 4,8 Millionen Schweizer Franken an.

Szene aus dem Stundenbuch eines Brügger Buchmalers aus dem Angebot von Günther Rare Books. © Dr. Jörn Günther Rare Books AG

Dass Arbeiten auf Papier einen besonderen Zauber besitzen, dem stimmt auch der Zeichnungsspezialist Stephen Ongpin aus London zu. Zwischen Blättern von Guercino und Renoir zeigt er eine Zeichnung aus Giovanni Domenico Tiepolos ebenso begehrter wie rätselhafter Folge „Aus dem Leben des Punchinello“. Ein Großteil der heiter-burlesken Persiflagen auf die venezianische Gesellschaft um 1790 sind längst in Museumshand. Wer die „Flachsspinner“ erwerben will, muss 460.000 Euro investieren.

 

Wohl kein Porzellansammler wird die Stände der beiden deutschen Meissen-Spezialisten Röbbig und Langeloh ignorieren. Röbbig führt uns mit seiner seltenen Deckelterrine des sogenannten Elisabeth-Service aus St. Petersburg von 1741 die frivole Üppigkeit des Rokokos vor. Ein echtes Statement-Piece des Modelleurs Johann Friedrich Eberlein: barbusige Frauen als Griffe und der Knauf des Deckels als hockende Pallas Athene. Weniger Mythologie, dafür umso mehr Galanterie steckt in den Harlekin-Figuren von Johann Joachim Kaendler. Zehn Motive hat Meissen um 1740, als in Dresden eine neue Theatergruppe einzog und die Begeisterung für die Commedia dell’Arte groß war, produziert. Sechs davon präsentiert Langeloh Porcelain in Maastricht, darunter den „Wütenden Harlekin“, den Kaendler als burleske Charakterstudie gestaltete. Der Preis liegt im oberen fünfstelligen Euro-Bereich.

Die Galerie Mestdagh offeriert eine Fidschi-Kette mit Segmenten von Pottwalzähnen. © Patrick & Ondine Mestdagh, Brüssel

Seit 35 Jahren ist diese Messe der Superlative Pflichtprogramm für Kuratorinnen und Kuratoren großer Museen wie engagierte Sammler, denn sie hält das jeweils Beste aus diversen Sammelgebieten bereit. Kunst aus Ozeanien wie die Fidschi-Kette mit Segmenten von Pottwalzähnen bietet die Galerie Mestdagh für rund 50.000 Euro an, während François-Xavier Lalannes lang gezogene skulpturale Bank mit Widderkopf bei Ben Brown gezeigt wird. Es ist egal, ob es sich um Schmuck oder Bronzeskulpturen handelt, der hohe Tefaf-Standard ist überall anzutreffen.

Bei David Lévy steht Auguste Rodins Bronzefigur „Das eherne Zeitalter“ von 1877 im Mittelpunkt. Sie gilt als eine der ersten modernen Bildhauerarbeiten: eine Verneigung vor Michelangelo und ein Abgesang auf das Akademische der Zeit. Die Brüsseler Galerie bietet die verkleinerte Version von 1903/04 an. Zu Lebzeiten Rodins sind wohl nur drei
Bronzen in der Fonderie Rudier realisiert worden. Der Guss, der auf der Messe präsentiert wird, stammt aus den 1940er-Jahren und soll 850.000 Euro kosten.

Die Altmeistersektion ist nicht mehr so umfangreich wie ehedem, das Material wird knapper. Doch das Angebot von Dickinson, Colnaghi und Robilant + Voena bleibt auf Museumsniveau. De Jonckheeres Interesse gehört der flämischen Malerei. Mit Sebastian Vrancx’ „Interieur der Liebfrauenkathedrale in Antwerpen“ (um 1610) offerieren die Genfer nach eigener Aussage „das wichtigste Bild diese Kathedrale“. Den Reiz der alten Meister hat auch Peter Mühlbauer aus Bayern entdeckt, der neben ausgewähltem Kunsthandwerk vermehrt auf Gemälde setzt. Fast hundert Jahre galt Johann Georg Platzers überbordende „Höfische Gesellschaft“, die einst die russischen Zarin Katharina besaß und die 1928 zu den Losen der legendären Versteigerung von Eigentum der Zarenfamilie gehörte, als verschollen. Der Preis für das wiederentdeckte Werk des Wiener Rokokos liegt bei 380.000 Euro.

Picasso Tefaf
Am Stand von Landau Fine Art hängt mit Pablo Picassos Gemälde „Les Dormeurs“ ein Highlight der Moderne. © Landau Fine Art, Montreal, Canada & Meggen, Switzerland/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Den einstigen Rang, die teuersten Gemälde auf die Tefaf zu bringen, haben den Altmeisterspezialisten jedoch schon lange die Händler der Moderne und der Nachkriegsklassiker abgelaufen. Einer der Hotspots dieser Periode ist Landau Fine Art. Mit Picassos Gemälde „Les Dormeurs“ von 1965 bringt die Galerie aus Montreal wahrscheinlich eines der schwergewichtigsten Modernegemälde nach Maastricht, das einst bei Picassos Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler über dem Schreibtisch prangte. Seit Bilder von Picasso in dreistelliger Millionenhöhe gehandelt werden, ist ein Schlüsselbild wie dieses ein gutes Aushängeschild für die Hyper-Potenz einer Galerie, die allein mit Alberto Giacomettis Gemälde „Femme Assise“ von 1960 und dessen Bronze „La Clairière“ von 1950 sowie mit Alexej von Jawlenskys „Spanischer Tänzerin“, das erstmals in Paris auf der Art Basel Paris für 14,95 Millionen Dollar angeboten wurde, ein Tefaf-Paket der Extraklasse geschnürt hat. Deutschland ist in der Sektion für das 20. und 21. Jahrhundert mit Galerien wie Utermann, Beck & Eggeling oder Ludorff
übrigens bestens vertreten. Am Stand von Ludorff, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert, setzt diesmal die amerikanische Pop-Art mit Tom Wesselmann, Keith Haring und Andy Warhol einen besonderen Akzent. Wesselmann spielt in seinem von scharfen, scherenschnittartigen Linien und kräftigen Farben bestimmten Werk fast durchgängig mit erotischen Elementen bis hin zur Provokation. „Bedroom Breast“, eine Collage in Öl auf Aluminium von 2004, macht da keine Ausnahme: Ihr Preis bewegt sich um die zwei Millionen Euro.
Schon lange trägt die Tefaf den Titel „Königin aller Messen“. Sie wird ihn dieses Jahr wieder verteidigen.

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MESSE

TEFAF Maastricht

15. bis 20. März 2025

tefaf.com

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