TEFAF 2023

Auf Weltreise nach Maastricht

Neustart nach Corona: Die Tefaf zieht es an ihrem angestammten Termin erneut an die Spitze der europäischen Messen

Von Gloria Ehret
06.03.2023
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 4/23

Endlich kommt sie zurück! Erstmals seit drei Jahren findet die Tefaf wieder an ihrem altbewährten Termin im März statt. Hoffen wir, dass sich die Geschäfte nun auch erholen, denn das sommerliche Intermezzo im letzten Jahr war offenbar alles andere als erfolgreich. Rund 260 Aussteller aus 20 Ländern bringen – von Experten streng juriert – eine unerschöpfliche Vielfalt aus 7000 Jahren und allen Kunstlandschaften der Welt in die Messehallen von Maastricht. Neben den klassischen Tefaf-Schwerpunkten der alten Meister, Antiquitäten und antiken Kunst erstreckt sich das Spektrum über die Moderne und zeitgenössische Kunst bis hin zur Fotografie, Design und kostbarem Schmuck, aber auch zur afrikanischen und präkolumbischen Kunst. Auf dieses Füllhorn musealer Objekte richten wir einige Schlaglichter als Anregung zum eigenen Messebesuch.

Was wäre beeindruckender, als den Rundgang bei der Pariser Kunsthandlung Kugel zu beginnen? Ihre hochkarätigen Sammelobjekte vom Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert zählen zu den Höhepunkten der Messe. Wenn es um Pariser Prunkmöbel geht, die bei Kugel immer wieder in Bann schlagen, setzen auch die französischen Kollegen ihre Akzente. So punktet Christophe de Quénetain mit einer Louis-quinze-Kommode (um 1733), ausgezeichnet durch üppige vergoldete Bronzebeschläge und raffinierten Lackdekor aus chinesischer wie Pariser Fertigung.

Einen Coup landet wieder einmal der Münchner Kunstkammerspezialist Georg Laue: Der von ihm präsentierte „Rothschild-Olifant“ war zuvor völlig unbekannt. Diese höchst artifizielle, einen halben Meter hohe Elfenbeinskulptur (um 1645) schildert in reliefierten und vollrunden Schnitzereien Jagdrituale und mythische Szenen aus der Sagenwelt. Dank eines Archivfunds konnten Laue und seine Mitarbeiterin Virginie Spenlé das faszinierende Stück Johann Michael Egner zuweisen. Damit erweist sich der Straßburger Bildhauer als Urheber einer ganzen Werkgruppe, die bislang niemand so recht einem konkreten Künstler zuschreiben konnte. Ein Beispiel dafür, wie der Kunsthandel der Forschung und den Museen immer wieder Impulse gibt. Der ebenfalls in Straßburg tätige Goldschmied Hans Jacob Erhart versah den Olifanten mit einer feuervergoldeten Silbermontierung. Das Prachtstück, das preislich im oberen sechsstelligen Bereich liegt, diente einst wohl als Jagdhorn.

Rothschild-Olifant Kunstkammer Georg Laue
Der „Rothschild-Olifant“ ist die Tefaf-Sensation der Kunstkammer Georg Laue. © Kunstkammer Georg Laue, München/London

Peter Mühlbauer aus Pocking schöpft auf seinem Stand aus seinem facettenreichen, meist höfischen Programm: Möbel, Gemälde, Kunsthandwerk, überwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert und in erlesener Qualität. Davon zeugt ein reliefiertes Rokoko-Girandolen-Paar, das ursprünglich zum polnisch-sächsischen Hofsilber gehörte. Ausgeführt von Christian Heinrich Ingermann um 1747 in Dresden, gehörte es zu einem Ensemble von 36 Leuchtern, es trägt die Inventarnummern 1 und 2 sowie das Monogramm „AR3“. Ausgeführt wurden die Stücke für August III., Kurfürst von Sachsen und König von Polen, als dessen Sohn und Tochter in die bayerische Herrscherdynastie einheirateten. Ein anderes Schaustück bei Mühlbauer: eine vergoldete, reich verzierte und gravierte Prunkschatulle mit dem Wappen des Salzburger Fürstbischofs, raffiniertem Schlossmechanismus und reichem Innenleben. Der Bildhauer, Kunstschmied und Instrumentenbauer Georg Martin Gizl schuf das Prunkstück um 1740, jetzt ist es für 325.000 Euro zu erwerben.

Aus der Fülle der Altmeistergemälde greifen wir ein großes, rätselhaftes Gruppenbild des Holländers Nicolaes Maes heraus, um 1670 gemalt, mit höfisch gekleideten Kindern verschiedenen Alters, die wegen ihrer beigegebenen Symbole wohl als Verkörperung der Tugenden zu verstehen sind und für eine bedeutende katholische Familie in Holland in Öl auf Leinwand gebannt wurden. Die Kunsthandlung Caretto & Occhinegro aus Turin bietet das marktfrische Gemälde „in der Preisregion um 600.000 Euro“ an. Kunst- historisch interessierte Rom-Besucher kennen wahrscheinlich die monumentale Bronzesitzfigur von Papst Paul V. in der Kirche Santa Maria Maggiore. In Maastricht begegnet uns der thronende Borghese-Papst am Stand der englischen Kunst handlung Tomasso, ebenfalls in Bronze, aber nicht überlebensgroß, sondern als knapp 40 Zentimeter messende Statuette, die Paolo Sanquirico um 1616/19 fein und detailreich in eine dünnwandige Kleinbronze verwandelt hat. Für 950.000 Euro könnte Paul V. die Reise in ein neues Museums- oder Sammlerambiente antreten.

Ein Blickfang auf der Tefaf ist traditionell der Stand der Familie Senger aus Bamberg, die bei Sammlern für ihre gotischen Skulpturen geschätzt wird. Diesmal konkurriert eine berückend schöne Anna Selbdritt in Lindenholz (um 1490) aus dem schwäbisch-oberrheinischen Raum mit einer heiligen Elisabeth aus Sandstein, die aus der Sankt-Elisabethen-Mühle in Trier stammt, sowie einer Jungfrau mit Kind des Meisters der Horber Madonna, entstanden um 1430/40. Auch Cranach-Liebhaber werden nicht enttäuscht, denn Senger bringt ein typisches, auf 1532 datiertes Bildnis Friedrichs des Weisen mit.

Lyonel Feininger Windmühle in Werde
Sammlertraum bei Utermann: Lyonel Feininger war seit drei Jahren Meister am Bauhaus, als er 1922 die „Windmühle in Werder“ malte, 780000 Euro. © Utermann, Dortmund/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Silber ist auf der Tefaf traditionell erstrangig vertreten. So präsentiert A. Aardewerk aus Den Haag niederländisches Silber vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart, während der Londoner Koopman mit englischen Preziosen betört. Einen Schwerpunkt auf deutsche Silberschmiedekunst pflegt die Kunsthandlung Helga Matzke. Ob in seltener Schweinfurter Becher mit graviertem Dekor von Adam Hälbich und Allianzwappen eines Ehepaars samt Datierung in das Jahr 1615 (28.000 Euro), ein vergoldeter Nürn- berger Traubenpokal um 1610 mit typischem „Schmeck“ als Bekrönung für 45.000 Euro, ein Berliner Münzbecher von Christoph Friedrich Oelrichs mit preußischen Münzen (220.000 Euro) oder ein teilvergoldetes Nürnberger Trinkschiff des Esaias zur Linden (um 1609) für 200.000 Euro – Matzkes breite Offerte kann unterschiedlichste Sammlerwünsche erfüllen. Und auch bei der Bremer Galerie Neuse glänzt museales Silber.

Bei den international agierenden Porzellanspezialisten Röbbig (München) und Langeloh (Weinheim) steht Meissen im Mittelpunkt. Friedel Kirsch von Langeloh kann mit einer besonderen Figur aufwarten, die ein Schlaglicht auf die Dresdener Kultur um 1750 wirft: Kändlers Krinolinenfigur der Faustina Bordoni-Hasse, ihr Preis ist auf 65.000 Euro angesetzt. Die berühmteste Operndiva ihrer Zeit und Gattin des Dresdener Hofkapellmeisters und Komponisten Johann Adolph Hasse tritt uns als Attilia entgegen. Die Oper „Attilio Regolo“ enstand im Auftrag König Augusts III. und wurde im Dezember 1750 in Dresden aufgeführt. Aus der Offerte ihrer Geschirre nennt Friedel Kirsch ein Paar Meissener Ecuelles (80.000 Euro).

Was wäre die Tefaf ohne mittelalterliche Prachthandschriften? Jörn Günther aus Basel verweist stolz auf einen Psalter aus der Zeit um 1255/60. In Brügge von einem Franziskanermönch in Latein auf Pergament verfasst, zieren ihn neun leuchtende Initialen in Blau-Gold-Rot, zehn Kalender-Illustrationen mit Monatstätigkeiten und fünf ganzseitige Miniaturen in einem Einband des 17. Jahrhunderts. Ebenso spektakulär wie kunsthistorisch bedeutend ist jenes Pariser Stundenbuch mit lateinischem und englischem Text, das der Meister des François de Rohan mit 63 Miniaturen in architektonischen Renaissance-Rahmen illuminiert und 1532 datiert hat.

Die klassische Moderne nimmt schon seit langem einen immer gewichtigeren Platz auf der Tefaf ein – nicht zuletzt durch deutsche Händler. So bringt Utermann aus der Galerie in Dortmund Lyonel Feiningers dynamisch-prismatisches, auf das Jahr 1922 datierte Architekturbild „Windmühle in Werder“ mit. Wassily Kandinskys poetische, hochformatige Gouache mit Wasserfarben entstand 1941 und war einst im Besitz der Künstlergattin Nina. Die Düsseldorfer Galerie Ludorff setzt einen Messeschwerpunkt auf die Berliner Zwischenkriegszeit. Neben Künstlern wie Max Liebermann, George Grosz, Ernst-Ludig Kirchner, Erich Heckel oder die Bildhauerin Käthe Kollwitz würdigt sie die Malerin Lotte Laserstein. Bei Beck & Eggeling, ebenfalls aus Düsseldorf, sind Heinz Macks über zwei Meter große „Wings of Gabriel“ aus Aluminiumnetz, Plexiglas, Edelstahl und Holz (1965) zu bestaunen, während die Münchner Galerie Thomas den Bogen von der klassischen Moderne mit Otto Dix oder Max Pechstein bis in die Gegenwart, etwa mit Günther Förg oder Peter Halley, spannt.

Das Angebot an Nachkriegskunst ist groß und Francis Picabias erdige Abstraktion „La magie du hasard“ von 1948 nur eines von vielen Werken, die kein Museum verschmähen würde. Zu den langjährigen Tefaf-Ausstellern gehört Wolfgang Bauer aus Wien, der in der Kunsthandlung Bel Etage die Wiener Wohnkultur um 1900 vertritt und jedes Mal aufs neue mit kapitalen Stücken aus der kurzen, höchst fruchtbaren Blütezeit der Donaumetropole begeistert – diesmal etwa mit Josef Hoffmanns fünfteiliger Menage aus getriebenem Silber mit Malachit oder dessen Salonschrank, den er 1900 für die VIII. Ausstellung der Secession entwarf.

Ein Schwergewicht des Asiatika-Markts ist das Familienunternehmen Vanderven aus ’s-Hertogenbosch, wie stets mit exorbitanten Objekten in Maastricht präsent. Spektakulär ist ihr fast ein Meter hohes Keramik-Kamel aus der Tang-Dynastie (618–906) in dramatischer Pose mit weit offenem Maul und rollenden Augen. Sein Reiter verweist auf Männer, wie sie im 8./9. Jahrhundert wohl über die Seidenstraße nach China kamen (130.000 Euro). Als Paradebeispiel der chinesischen Porzellankunst sei ein Paar großer Doppelkürbisvasen mit Haubendeckeln der Kangxi-Zeit um 1710 genannt: Lotus- und Päonienblüten füllen den dichten floralen Unterglasurdekor in Kobaltblau und Kupferrot. Die beiden Stücke kosten zusammen 950.000 Euro.

Vanderven Kamel Tang-Dynastie
Vanderven bietet für 130000 Euro das fast einen Meter hohe Keramikkamel aus der Zeit der Tang-Dynastie (618–906) an. © Vanderven

Weit weniger Platz als diese kapitalen Schaustücke benötigen edler Schmuck und Juwelen. Hier genügt viel Geld. Bei Van Cleef & Arpels fällt ein Collier im indischen Stil auf, von der Maison 1971 gefertigt, mit einem Anhänger, der sich ebenfalls als Clip-Brosche tragen lässt. Während Bhagat aus Mumbai indische Originale mitbringt und Otto Jakob seine eigenen Schmuckschöpfungen aus Karlsruhe präsentiert, lässt Epoque Fine Jewels aus dem belgischen Kortrijk eine Art-nouveau-Schmetterlingsbrosche funkeln, die auf Frédéric Boucheron zurückgeht.

Neben den renommierten Teilnehmern, die Maastricht zum Mekka schlechthin für Kunst- und Antiquitätenliebhaber aus aller Welt gemacht haben, fördert die Messe, die ja eine Stiftung und Non-Profit-Organisation ist, seit 2008 in der Sektion „Showcase“ aufstrebende Händler, die sich mit einem kleinen Tefaf-Stand profilieren können. In diesem Jahr ist ihre Zahl erstmals von sechs auf zehn junge Talente erhöht worden, vier von ihnen kommen aus Großbritannien und zwei aus Frankreich. Leider ist niemand aus Deutschland dabei.

Halskette Van Cleef & Arpels
Halskette von 1971 im indischen Stil, der Anhänger ist auch als Brosche zu tragen, eine Kostbarkeit bei Van Cleef & Arpels. © Van Cleef & Arpels

Service

Messe

Tefaf,

MECC, Maastricht,

11. bis 19. März

tefaf.com

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