Von brasilianischen Kunstschaffenden in Bern über Tamara de Lempicka in San Francisco bis zu asiatischen Bronzen in Amsterdam – im November gibt es einiges zu entdecken
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29.10.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 334
Zentrum Paul Klee, Bern, bis 5. Januar 2025
Denken wir an die Moderne Brasiliens, fällt uns sicher die Malerin Tarsila do Amaral ein, die mit Werken wie „O lago“ (1928) ihre ganz eigene, magisch-karnevalistische Bildsprache entwickelte. Unter den zehn Künstlerinnen und Künstlern der Schau in Bern werden nun allerdings auch vormalige Außenseiter gezeigt, die lange nicht zum Kanon gehörten: Ein Maler wie Rubem Valentim (1922–1991) etwa, der geometrische Symbole aus den religiösen Ritualen des Candomblé auf die Leinwand brachte, galt einst nur als folkloristisch. Heute werden seine Bilder als wichtiger Baustein im Mosaik der brasilianischen Moderne erkannt.
Kunsthalle Bremen, bis 5. Januar 2025
Auf ersten Probedrucken findet man oft kleine Zeichnungen, die von den Künstlerinnen und Künstlern auf den leeren Bildrand gesetzt wurden. Mit diesen sogenannten Remarques konnte die Wirkung der Ätzflüssigkeit überprüft werden. Vor dem Druck der regulären Auflage wurden die Skizzen entfernt – doch kamen auch manchmal Blätter mit Remarques in den Handel. Solche Kuriositäten zeigt jetzt die Bremer Kunsthalle: Im „Bildnis Juana Fernandez“ (1897) von Alexandre Lunois schaut ein zweiter Frauenkopf aus einer Ecke. Und in Heinrich Vogelers Bild „Sommer“ (1904) könnte ein Federtier unter dem Motiv ein Verweis auf den eigenen Namen sein.
Diözesanmuseum Paderborn, bis 26. Januar 2025
In die Zeit Karls des Großen entführt aktuell das Diözesanmuseum Paderborn: Nach der Unterwerfung der heidnischen Sachsen und ihres Heerführers Widukind wollte der Kaiser die eroberten Gebiete mit der Hilfe eines neuen Klosters christianisieren. Seine Nachkommen setzten die Pläne um und legten 822 den Grundstein für das Kloster Corvey. Von dessen Blüte und der karolingischen Kunst erzählt die Schau mit Exponaten wie der Burse von Enger: Dieses goldene Reliquiar in Form einer Tasche aus der zweiten Hälfte des 8. Jh. könnte Karl der Große als Taufgeschenk an Widukind übergeben haben. Es trifft nun in Paderborn auf die um 800 entstandene Fibel von Dorestad, die ganz ähnliche Kreuzverzierungen aufweist.
Rijksmuseum, Amsterdam, bis 12. Januar 2025
Vor rund 4000 Jahren erlebte auch der Ferne Osten den Beginn seiner eigenen Bronzezeit. Und die Faszination für die schimmernde Legierung aus Kupfer und Zinn hat über die Jahrtausende nicht nachgelassen, wie diese Überblicksschau zeigt, die ein riesiges Gebiet von Pakistan bis nach Japan umfasst. Eines der jüngsten Exponate ist die Skulptur „Musical Rhythm“ (1949), des thailändischen Künstlers Khien Yimsiri; zu den ältesten gehört eine anthropomorphe Figur, die 1500–1000 v. Chr. in der indischen Gangesebene geschaffen wurde. Eine Kostbarkeit ist zudem eine Statue von Buddha unter Nagas Schild aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, die zum ersten Mal das National Museum in Bangkok verlassen darf.
De Young Museum, San Francisco, bis 9. Februar 2025
Das Art déco hat niemand gekonnter in die Malerei übertragen als jene Künstlerin aus Warschau, deren Geburtsjahr und Elternnamen lange ein Mysterium waren. Ein neuer Dokumentarfilm will nun 1894 und den Namen Tamara Rosa Hurwitz ermittelt haben. Letzteren übernimmt das De Young Museum als Überschrift für das erste Kapitel seiner Retrospektive. Am Ende steuert alles auf die berühmte Tamara de Lempicka hin. Die Gesichter malte, die so glatt wirken wie Sichtbeton, umgeben von blonden Locken, wie aus Messing geschmiedet. Und deren Akte wie „Die schöne Rafaela“ (1927) selbst im Ruhezustand eine so rasant-dynamische Energie ausstrahlen, als wären sie Rennwagen. Mehr Stil hatte die moderne Malerei wirklich nie.
Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen, bis 12. Januar 2025
Zur Stilrichtung Dada fordert der Duden den männlichen Artikel. Sehr altbacken findet das diese Ausstellung und verweist auf die Künstlerinnen und die fluiden Geschlechterrollen zu jener Zeit: So wird die Malerin Suzanne Duchamp aus dem Schatten ihres Bruders Marcel befreit. Ihr Hauptwerk „Broken and Restored Multiplication“ (1918/19) bekommt die große Bühne. Marcel Duchamp spielte selbst mit seiner weiblichen Seite – als sein Alter Ego Rrose Sélavy fotografierte ihn Man Ray 1921 in Frauenkleidern. Ein weiteres Kapitel ist Elsa von Freytag-Loringhoven gewidmet, die als „Baroness“ mit schrägen Dada-Performances begeisterte. Grandiose Kanonkorrektur!