Ausstellungstipps

Die besten Ausstellungen im Juni

Nicht nur die Documenta erwartet uns im Juni. Wir zeigen Ausstellungen, die eine Reise wert sind – von Raffael in London über Christian Schad in Aschaffenburg bis Barbara Kruger in Berlin

Von Tim Ackermann & Clara Zimmermann
31.05.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 199

RAFFAEL

National Gallery, London, bis 31. Juli

Ein Wort wie Helikoptermutter wäre Raffael nie in den Sinn gekommen. In seiner um 1509/1510 gemalten „Garvagh Madonna“ gelingt Kindererziehung mit einhändiger Leichtigkeit. Das Jesusbaby und der kleine Täufer-Johannes verstehen sich ohnehin blendend. Ein sonniges Gemüt durchzieht das gesamte Werk des Renaissancekünstlers, und in London kann man dank vieler Leihgaben das komplette Leben und die volle Bandbreite des Schaffens sehen. Raffaels elegante Märtyrerinnen und in Milde ergrauten Päpste versprechen, dass alles gut war und wieder wird. Ein tröstlicher Gedanke in unseren Zeiten.

Raffael National Gallery
Die National Gallery in London zeigt dank vieler Leihgaben das komplette Leben und die volle Bandbreite des Schaffens Raffaels – darunter auch die um 1509/1510 entstandene „Garvagh Madonna“. © The National Gallery, London

BARBARA KRUGER

Neue Nationalgalerie, Berlin, bis 28. August

Die Textarbeiten von Barbara Kruger lassen sich schon von Weitem erkennen und sind bekannt für ihre rhetorische Kraft, mit der sie unsere Kultur und unseren westlichen Lebensstil grundlegend hinterfragen. Nun hat die 77-jährige Konzeptkünstlerin das wenige Mobiliar des Erdgeschosses der Neuen Nationalgalerie entfernen lassen, um anschließend den gesamten Steinboden mit Vinylbelag zu überziehen. Mit der Aufforderung „Bitte lachen/ Please cry“ lädt sie das Publikum ein, auf selbst verfassten Parolen und Worten von George Orwell, Walter Benjamin und James Baldwin zu flanieren. Die vorgeführten Zitate sind heute noch so erschreckend aktuell, dass man tatsächlich nicht weiß, ob man vor Irritation lachen oder weinen soll.

Barbara Kruger Neue Nationalgalerie Berlin
Eine Ausstellung, die zum Lachen (und Weinen) einlädt: Barbara Kruger in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. © Courtesy the artist/Timo Oehler

HOFER MEETS LINDNER

Neues Museum, Nürnberg, 24. Juni bis 9. Oktober

Von den bunten Lichtern des Big Apple fühlten sich beide angezogen – die Fotografin Evelyn Hofer und der Maler Richard Lindner. Letzterer übersetzte den Großstadttrubel in solide Pop-Art. Bemerkenswerter scheint heute Hofer als Vertreterin einer farbigen Street Photography, die Heckflossen von Straßenkreuzern genauso als bildwürdig empfand wie die Spiegelungen der nächtlichen Reklametafeln am Times Square. Die Nürnberger Schau zeigt die beiden Künstlerfreunde zusammen, die sich nach 1946 in Manhattan kennengelernt hatten.

Evelyn Hofer Car Park Neues Museum Nürnberg Ausstellung Juni
Die Schau im Neuen Museum Nürnberg setzt die Künstlerfreunde Richard Lindner und Evelyn Hofer in Dialog miteinander. Hofer zeigt sich in Fotografien wie „Car Park“ (1965) als Vertreterin einer farbigen Street Photography. © Evelyn Hofer, courtesy Galerie m, Bochum

MAJOLIKA

Mak, Wien, bis 7. August

Als Humanist im Herzen hatte der Renaissance-Landesfürst Ferdinand II. von Tirol natürlich eine Wunderkammer. Und weil das europäische Porzellan noch nicht erfunden war, füllte er Schloss Ambras mit dem Kunsthandwerk, das als Mode der Stunde galt – italienische Majolika. Einige Stücke aus Ferdinands Besitz werden heute im Museum für angewandte Kunst in Wien bewahrt, neben vielen weiteren Majoliken des 15. bis 18. Jahrhunderts. Die Sammlungspräsentation zeigt eine enorme Vielfalt, von reich bemalten Tellern und Becken bis zu schlichteren Dekors wie bei dem Apothekergefäß mit zwei Henkeln, geschaffen um 1431 in der florentinischen Werkstatt von Giunta di Turigo.

Majolika Mak Wien
Die Majolika-Ausstellung in Wien zeigt eine enorme Vielfalt – von reich bemalten Tellern und Becken bis zu schlichteren Dekors wie bei dem Apothekergefäß mit zwei Henkeln, geschaffen um 1431 in der florentinischen Werkstatt von Giunta di Turigo. © MAK/Katrin Wißkrichen

CHRISTIAN SCHAD

Christian Schad Museum, Aschaffenburg, ab 3. Juni

Er war der Maler, der in den 1920er-Jahren den Slogan der Neuen Sachlichkeit wohl am buchstäblichsten auf Papier und Leinwand brachte. Und doch beweist ein Werk wie „Liebende Knaben“ (1928), das mühelos Referenzbögen von der antiken Lyrik bis zu unserer genderfluiden Gegenwart schlägt, bei aller Nüchternheit der Schilderung auch ein hohes Maß an künstlerischer Empfindsamkeit. Das brandneue Museum des Malers in Aschaffenburg zeigt bei seiner Auftaktausstellung Auszüge der insgesamt rund 3200 Werke des Nachlasses – darunter typische Frauenporträts wie die „Mexikanerin“ von 1930, aber auch das kürzlich erworbene, nachdenkliche Hauptwerk „Hochwald“, das der Künstler 1936 während des Nationalsozialismus schuf.

GIOVANNI BOLDINI

Petit Palais, Paris, bis 24. Juli

Salonmalerei ist nicht jedermanns Sache. Aber wer sich für die kleinen Dramen im plüschigen Ambiente begeistern kann, wird von Giovanni Boldini wahrlich gut bedient. Ob sich Damen bei einer verschwörerischen „Conversation au café“ (1879) treffen oder die High Society bei einer „Scène de fête au Moulin Rouge“ (um 1889) rauschhafte Vergnügungen erlebt – stets scheinen unter den feinen Gewändern feurige Herzen zu pochen. Was wohl dazu beitrug, den 1842 im italienischen Ferrara geborenen Maler zum gefragten Porträtisten des Pariser Fin de Siècle zu machen: Seine Bilder sind einfach zum Schmachten schön.

Giovanni Boldinis Scène de fête au Moulin Rouge Petit Palais Ausstellung Juni
Giovanni Boldinis„Scène de fête au Moulin Rouge“ (um 1889) zeigt rauschhafte Vergnügungen – mitzuerleben bis zum 23. Juli im Pariser Petit Palais. © Musée d'Orsay, Dist. RMN-Grand Palais / Patrice Schmidt

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