Max Clarenbach

Naturschau von innigem Erleben

In den Landschaftskonzeptionen des Düsseldorfer Künstlers Max Clarenbach klingt die leuchtende Malerei französischer Impressionisten und Fauves nach. Auf dem Kunstmarkt bleiben seine Gemälde überwiegend erschwinglich

Von Michael Lassmann
07.01.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 20

Es war zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der damals 22-jährige Max Clarenbach (Neuss 1880 – 1952 Köln) erstmals internationale Aufmerksamkeit fand, doch zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits im Wesentlichen die Grundzüge seiner Landschaftskonzeption entwickelt. Ausgehend vom motivarmen Naturalismus der Haager Schule, führte ihn die Freilicht-Malerei der Barbizonisten noch weiter zur subjektivierten Naturschau des „paysage intime“. Obwohl sich Clarenbach in seinem Engagement für den „Sonderbund“ bald darauf auch mit Einflüssen der französischen Impressionisten, Nachimpressionisten und sogar der Fauves auseinandersetzte, blieb er weiterhin ebenso der Landschaftsmalerei des vorangegangenen Jahrhunderts verpflichtet.

Ob er sich dabei der formstrengen Stilisierung des Jugendstils bediente oder der formauflösenden Beobachtung des Atmosphärischen größeren Raum gab, blieb für seine Begegnung mit der Natur von zweitrangiger Bedeutung. Denn neben dem Stimmungshaften des Augenblicks vernachlässigte er niemals die Darstellung des Objektiv-Zuständlichen – ohne sich allerdings in penibler Detailbeschreibung zu verlieren. Gerade in den von ihm favorisierten Winterstimmungen offenbart sich ein weiteres Erbe des 19. Jahrhunderts: Seine Ansichten vom Niederrhein, den Rheinauen zwischen Kaiserswert und Bockum oder dem Hinterland von Kalkum und Angermund kommunizieren in ihrer motivischen Anspruchslosigkeit und der Beschränkung der Palette auf delikat abgestufte Grau- und Ockertöne eine melancholische Stille, die unzweifelhaft von der metaphysischen, jedenfalls aber von innigem Erleben geprägten Naturschau der Dresdner Romantik beeinflusst ist.

Max Clarenbach „Sommerliche Bootspartie“ Van Ham
Die in leuchtenden Farben strahlende „Sommerliche Bootspartie“ wurde bei Van Ham im November 2014 von 3000 auf 20.000 Euro gesteigert. © Van Ham, Köln

Es ist zum Teil wohl diese bodenständige Verbundenheit mit der Landschaft seiner Heimat, die ihn bei allem Anspruch auf Aktualität hinderte, über das bereits Formulierte hinauszugehen und die zunehmend internationalisierte Entwicklung der zeitgenössischen Kunst konsequent mitzuvollziehen; trotz jahrzehntelanger Lehrtätigkeit an der Düsseldorfer Akademie blieb sein Wirken wenigstens überregional weitgehend folgenlos.

Einflüsse der französischen Avantgarde verarbeitete Clarenbach in Landschaften mit leuchtenden Farben

Die Sonderbegabung des aus einfachen Verhältnissen stammenden Schülers wurde früh erkannt, und so fand Clarenbach in dem renommierten Landschafts- und Marinemaler Andreas Achenbach einen Mentor, der sich erfolgreich für die Aufnahme des erst 14-Jährigen an der Düsseldorfer Akademie einsetzte. Dort studierte er bei Arthur Kampf und Gustav Wendling, seit 1897 bei Eugen Dücker. Breite Anerkennung fand er bereits während seiner Jahre an der Akademie, sodass er seit 1900 ein eigenes Atelier führen konnte. Mit seinem Frühwerk „Stiller Tag“, das er zwei Jahre später auf der Düsseldorfer Gewerbeausstellung zeigte, gelang ihm auch international der Durchbruch. Neben einer Goldmedaille aus Wien erhielt er nun zunehmend Einladungen zu internationalen Ausstellungen, die den bis dahin vor allem an Freilichtmalerei und Jugendstil geschulten Maler auch mit den fortschrittlicheren Gruppierungen der Spätimpressionisten und Fauvisten in Berührung brachten. Eine unmittelbare Folge war seine federführende Rolle bei den Ausstellungen des „Sonderbundes“, zu dessen Gründungsmitgliedern er neben Studienfreunden wie Walter Ophey und August Deusser gehörte. Da man dort programmgemäß junge, frische Positionen vorstellen wollte, wurden zu diesen Schauen auch Vertreter der französischen Avantgarde eingeladen. Deren Einfluss verarbeitete Clarenbach in einer Reihe von Landschaften und Gartenmotiven, die sich durch ungewohnt leuchtende Farbigkeit auszeichneten und größtenteils zwischen 1908 und 1914 entstanden.

Max Clarenbachs „Garten des Künstlers in Wittlaer“ Lempertz
Max Clarenbachs Gemälde „Garten des Künstlers in Wittlaer" spielte im Mai 2012 bei Lempertz in Köln mit 22.000 Euro fast das Dreifache der Schätzung ein. © Lempertz, Köln

Sein patriotischer Einsatz im Ersten Weltkrieg wurde durch seine Berufung an den Lehrstuhl der Düsseldorfer Akademie als Nachfolger Eugen Dückers beendet und trotz Anfeindungen durch die Nationalsozialisten versorgte er sein Lehramt bis 1945. Neues formulierte er in diesen Jahren kaum noch, auch wenn er sein Repertoire seit den Zwanzigerjahren um urbane Themen wie Straßenszenen oder Motive aus Sport und Theater bereichert hatte.

Über mangelnde Auswahl konnten sich Sammler nicht beschweren: Seit 2011 wurden durchschnittlich rund 30 Gemälde pro Jahr angeboten und damit fast 60 Prozent mehr als im vorigen Jahrzehnt. Demgegenüber stieg der Anteil der Rückgänge nur um wenige Prozentpunkte auf knapp 40 Prozent. Obwohl Clarenbach zu Lebzeiten auch international Anerkennung fand, wird er heute außerhalb Deutschlands nur sporadisch gehandelt, und aufgrund des stark regionalen Bezugs seiner Landschaftsmotive ist es naheliegend, dass der überwiegende Anteil der Offerte von Anbietern im Rheinland betreut wird.

Max Clarenbach „Holländischer Matrose beim Schlittschuhlaufen“ Hampel
Die Holztafel „Holländischer Matrose beim Schlittschuhlaufen“ wurde im September 2013 bei Hampel in München bereits bei 12.500 Euro zugeschlagen. © Hampel, München

Die Preise blieben überwiegend erschwinglich: Jeder fünfte Zuschlag wurde für weniger als 2000 Euro erteilt, jeder zweite blieb unter 5000 Euro. Während bei den unteren Preisrängen keine nennenswerten Verschiebungen zu beobachten waren, haben Spitzenqualitäten anscheinend deutlich an Attraktivität verloren. Nicht nur, dass der Rekordwert von 44.000 Euro bei Lempertz, Köln, im Mai 2009 für einen großformatigen „Winter an der Erft“ seither nicht annähernd mehr erreicht wurde – aussagekräftiger ist, dass sich der Anteil der Transaktionen im fünfstelligen Bereich in den letzten zehn Jahren halbiert hat und insgesamt nur noch bei zehn, seit 2016 sogar nur noch bei sechs Prozent liegt.

In diese stark geschrumpfte Spitzengruppe gelangten fast ausschließlich Landschaftsmotive, wobei Sommer- und Winterstimmungen annähernd gleich stark vertreten waren. Nach der erfolgreichen Auktionssaison 2009/2010 wurden nur noch zwei Hammerpreise über 20.000 Euro realisiert, der letzte liegt bereits mehr als acht Jahre zurück. Dabei begann das vergangene Jahrzehnt durchaus verheißungsvoll: Im Mai 2011 hob Van Ham, Köln, die Stimmung „Sommertag in Montabaur“ trotz der mit einem Fragezeichen versehenen topografischen Zuordnung von recht niedrig geschätzten 6000 auf 26.000 Euro und notierte damit das beste Ergebnis im beobachteten Zeitraum. Ebenso zurückhaltend bewertete Grisebach, Berlin, nur sechs Monate später eine „Winterlandschaft bei Wittlaer“, die immerhin auf 17.000 Euro hochgesteigert wurde.

Max Clarenbach „Winterlandschaft bei Wittlaer“ Grisebach
Die „Winterlandschaft bei Wittlaer“ wurde Ende November 2011 bei Grisebach in Berlin von 6000 auf 17.000 Euro gehoben. © Grisebach, Berlin

Im Mai 2012 gelang dann bei Lempertz, Köln, mit einer Ansicht vom „Garten des Künstlers in Wittlaer“ ein letzter Wert über 20.000 Euro; auch hier musste der Käufer fast bis zum Dreifachen der Taxe gehen, um sich bei 22.000 Euro endlich den Zuschlag zu sichern. Im darauffolgenden November erhielt dann Van Ham für einen dekorativen „Wintertag in den Erftauen“ ein Höchstgebot von 20.000 Euro, obwohl man auch hier nur von einem Bruchteil ausgegangen war. Auf die gleiche Marke verbesserte sich überraschend auch eine „Sommerliche Bootspartie“, die das Haus im November 2014 lediglich mit bescheidenen 3000 Euro ausgelobt hatte. Überhaupt wurden selbst für aussichtsreiche Qualitäten meist erstaunlich moderate Taxen angesetzt, während die Bieter allzu heitere Erwartungen oft abstraften: So konnte Lempertz, Köln, im März vergangenen Jahres die Schätzung für eine „Frühlingslandschaft am Rhein“ nicht bestätigen, die zum Hammerpreis von 12.000 Euro 25 Prozent unter Taxe abgegeben werden musste; wenige Tage darauf stieg bei Karbstein, Düsseldorf, ein „Winter bei Haus Werth“ von maßvolleren 8000 immerhin auf 11.000 Euro.

In Süddeutschland wird Clarenbach seltener gehandelt, doch im vergangenen Juli präsentierte Ketterer, München, eine kleinere Version der häufig gemalten „Winterlandschaft an der Erft“ mit einem Schätzpreis von 7000 Euro und konnte das 1905 datierte Werk unerwartet auf 13.000 Euro hochziehen. Die selteneren figürlichen Darstellungen gelangen nur ab und an in den Handel; als Hampel, München, im September 2013 die Holztafel „Holländischer Matrose beim Schlittschuhlaufen“ vorstellte, ging man darum von einem Wert von 14.000 Euro aus. Doch soweit brauchte der Käufer nicht zu gehen – er erhielt den Zuschlag bereits bei 12.500 Euro.

Zur Startseite